Liebe Leute, ich war lange offline. Ich weiss. Inzwischen ist meine Reise zu Ende und ich bin zurück in der Schweiz. Und jetzt führe ich diesen Blog zu Ende. I am back, baby!
Warum hat es so lange gedauert? Das Schreiben eines mindestens passablen Blogeintrags verlangt Zeit, mehr, als ich gedacht hatte. Schliesslich will ich mehr bieten als und dann ging ich hierhin und dann ging ich dahin und dann ist dort ein Sack Reis umgefallen. Und das bedeutet eben, dass ich mir für jeden Eintrag schon ein bisschen was überlegen muss: Hat der Artikel eine Message? Welche Stories sind spannend, was lasse ich weg? Welche Bilder nehme ich aus den hunderten, die ich pro Land gemacht habe? Zusammen mit dem eigentlichen Schreiben und der Übersetzung (die zwar von Google beschleunigt, aber eben nicht übernommen wird) sind dann schon mal zwei Tage vergangen. Und irgendwann merkte ich, dass ich lieber die Reise voll und ganz geniesse, als diese Arbeit im Hinterkopf zu haben. Schliesslich ist man nicht alle Tage in der verschimmelten Hosteldusche unter einem Wüsten-Nachthimmel. Das Schreiben konnte bis nachher warten. Und nachher ist jetzt.
Wir befinden uns also aktuell gerade in Japan. Japan ist ein spezielles Land. Eine lange und starke Isolation*, unüblich für derart grosse Länder, hat zu einer ganz eigenen Kultur geführt. 7 Dinge, die mir von dort geblieben sind.
*Das wirkt noch heute nach. Japans Bevölkerung schrumpft und altert und man ruft nach mehr Kindern, aber gleichzeitig mehr Einwanderung zulassen? Un-mög-lich.
1. Es gibt keine Abfalleimer
Ja, es ist so: Im saubersten Land der Welt braucht’s harte Arbeit, Entschlossenheit und Glück, um einen der sagenumwobenen öffentlichen Mülleimer zu finden. Und das hat mit Omu Shinrikyo zu tun, einer Weltuntergangssekte. Die hat nämlich 1995 einen Giftgasanschlag auf die Tokioter U-Bahn verübt, bei dem 13 Menschen ums Leben kamen. Nachdem diverse Mitglieder der Sekte verhaftet und ihr Vermögen konfisziert waren, ging es an die Aufarbeitung. Da kam man unter anderem zum Schluss, dass in Abfalleimern Waffen und dergleichen versteckt werden könnten, und schwupps waren sie aus dem Stadtbild verschwunden. Naja, ich weiss nicht… Jedenfalls umso erstaunlicher, dass die riesigen Städte so unglaublich sauber sind! Ich musste mich erst daran gewöhnen, meinen Abfall eine Weile herumzutragen, manchmal zurück bis ins Hostel.
2. Es hat überall Getränkeautomaten. Und Convenience Stores.
Einmal gehen Reto, Riki und ich den Fushimi Inari anschauen, eine wichtige religiöse Stätte in Kyoto. Ein Netz von Pfaden, eingerahmt von wunderschönen Holztoren, schlängelt sich den Berghang hoch. Kurz vor der Spitze steht ein kleines Häuschen, vor dem sich viele Menschen verbeugen. Und was ist daneben? Ein munter blinkender, piepsender, knalliger Getränkeautomat! Wir mussten lachen.
Wenn Zuckerwasser also sogar im Heiligsten verkauft werden darf, kann man sich vorstellen, dass die Kasten auch sonst überall stehen. Und zwar nicht nur in Metrostationen oder bei Sehenswürdigkeiten – nein, auch in der kleinsten Seitengasse kommt man nicht drum herum. Manchmal treten sie auch gleich rudelweise auf, wie hier:
Ähnliches gilt für die Convenience Stores. Zu ihnen habe ich ein gespaltenes Verhältnis entwickelt. Du hast um vier Uhr morgens das dringende Verlangen nach einem Reisball und einer Packung Pikachu-Tomatensaft? Kein Problem, 7-Eleven ist grad um die Ecke. Und die Auswahl ist in Ordnung.
Gleichzeitig gibt es deswegen in Innenstädten praktisch keine Supermärkte. Und die Convenience Stores haben zwar vieles, aber eben nicht alles. Ausserdem ist das Meiste nach dem Motto «viel hilft viel» in Plastik verpackt. Z.B. dieser Käse:
Und irgendwie will man den Abfall zwar eigentlich vermeiden und lieber mal etwas Frisches kaufen, aber dazu müsste man aktiv suchen und wer macht denn so was Verrücktes? Weil man den Stores alle paar Minuten begegnet, kauft man eben doch die ganze Zeit noch was Kleines. Es gab Tage, da war ich wahrscheinlich zehn Mal dort.
3. Japan ist vernarrt in Perfektion
Wenig aufregender Punkt, aber musste erwähnt sein. Die Schiebetür gleitet wie auf Luft und das Schloss schnappt nahtlos, so dass nichts auch nur ein bisschen wackelt. Das Metro-WC ist sauberer als das bei dir zu Hause (du hast es die letzten zwei Wochen nicht geputzt, oder? Ich wette, auf deiner WC-Brille tummeln sich schon alle möglichen gruusigen Bakterien). Alles ist organisiert und gut gemacht und sauber und aufgeräumt.
4. Alles hat ein Gesicht
Eigentlich gibt’s in Japan ja viel Eleganz. Die Zen-Gärten. Die stillen Tempel. Die sanfte, mit subtilen Details geformte Ästhetik vieler Gebrauchsgegenstände.
Werbung und Schilder hingegen? Zen sucht man dort vergeblich. Sie sind vollgepackt und vor allem hat’s praktisch immer irgendwo ein Gesicht.
5. Rot ist Rot
Und dann wird nicht über die Strasse gegangen. Nicht im hintersten Bergdorf auf der Insel Kyushu, wo seit deinem letzten Date kein Auto mehr vorbeigekommen ist. Und das ist ja schon viel zu lange her, oder? Auch nicht mitten im Tokioter Ausgangsviertel in der Tiefe der Nacht. Die Disziplin der japanischen Bevölkerung hat mich immer wieder beeindruckt. Besonders in der Metro. Wie effizient da ein- und ausgestiegen wird! Auf dem Perron ist nämlich mit Linien am Boden markiert, wo die Türen sind und wo man anzustehen hat. Die sich bildende Schlange ist dann nicht eine Traube wie in Zürich, sondern eine schöne Einerreihe (wenn der Bahnsteig nicht zu voll ist, natürlich). Fun fact, in der U-Bahn selbst ist es mucksmäuschenstill, denn Reden ist verpönt.
6. Das Stadtbild ist chaotisch
Konformität wird in Japans Gesellschaft zwar grossgeschrieben. Aber bei der Architektur… der dauerhaftesten aller Kulturformen, dem in Stein gemeisselten Ergebnis abertausender Arbeitstage – ausgerechnet bei der Architektur gilt offenbar: «Jede cha mache was er will, will jede staht dezue was er macht».
Und das führt dazu, dass die einzelnen Häuser zwar häufig auf typisch japanische Art kunstvoll-zurückhaltend daherkommen, die Gesamtheit dann aber doch ein ziemliches Durcheinander ist. Dazwischen gibt’s ausserdem viele Blöcke, die reine Zweckbauten sind.
7. Baden gehen
Mein persönlicher Favorit in Japan: Die heisse Quelle, japanisch «Onsen». Das sind Thermalbäder, die mit vulkanisch geheiztem Wasser gespeist werden. In Städten findet man viele «Sento», deren Wasser künstlich geheizt wird, die aber eine ähnliche Funktion aufweisen.
Was die Bäder so speziell macht, ist, dass sie kein Luxusding sind wie die Thermalbäder bei uns. Klar gibt es die teuren, exklusiven Spas auch, oft verbunden mit einem gehobenen Hotel. Die meisten Onsen sind jedoch ganz einfache Bäder, der Eintritt kostet drei bis fünf Franken. Sie bestehen aus einem Vorraum mit Schuhspind und Kasse, einem Umkleideraum und dem eigentlichen Bad. Wenn man ins Bad tritt, kommt man zuerst an den Waschplätzen vorbei. Man duscht im Sitzen auf einem Hocker oder füllt einen kleinen Eimer mit Wasser, das man danach über sich spült. Im selben Raum sind das Becken mit heissem Wasser, manchmal auch ein zweites oder ein Kaltwasserbecken. In diesen Becken wird es oft bei fünf Leuten schon eng. Die Inneneinrichtung variiert je nach Preis, aber vielfach gibt’s das blutte Minimum: Weisse Kacheln an Wänden und Boden, LED-Licht, keine Musik. Und das Schöne ist: Es spielt überhaupt keine Rolle für den Zweck der Onsen/Sento! Denn gerade weil es so günstig ist, kann man auch mal nach dem Sport noch rasch für 20 Minuten vorbeigehen, weshalb viele Japanerinnen und Japaner mehrmals wöchentlich dort sind. Bei teureren Onsen gibt’s dann schon mehrere Becken, oft in einem liebevoll gestalteten Aussenbereich. So was Cooles!